Bianca | 2004/2005 | Norwegen / Stavanger

Wie alles begann

Wann genau ich mir überlegt habe, für ein Jahr ins Ausland zu gehen, weiss ich nicht mehr. Aber es war vor ungefähr vier Jahren. Damals hatte ich aber noch keine Ahnung, in welches Land ich während meines Schüleraustausch wollte und in den nächsten Jahren habe ich über viele Ziele nachgedacht. Als wir dann vor zwei Jahren Austauschschüler aus Norwegen aufgenommen hatten, war meine Entscheidung klar: Ich wollte nach Norwegen. Nun hatte ich noch zwei Jahre Zeit, um mich um das Geld, eine Organisation und alles andere zu kümmern. Ich sparte jeden Cent, da meine Eltern nicht genug Geld hatten, um mir das Jahr zu bezahlen und fand schliesslich auch eine passende Austauschorganisation. Norwegen wurde immer mehr zu meinem Traumland und als ich mich dann bei YFU bewarb, gab ich es als einzigen Länderwunsch an.

Das Auswahlgespräch

Im August 2003 war es dann endlich so weit. Ich hatte eine Einladung zum Auswahlgespräch. Und ich hatte absolut keine Ahnung, was ich davon erwarten sollte. Total aufgeregt sass ich also im Wartesaal, über eine Stunde zu früh. Meine Angst verschwand dann aber bald, als auch die anderen Bewerber kamen. Wir hatten viel Zeit, uns kennen zu lernen und als wir dann endlich reingerufen wurden, ging es mir gar nicht mehr so schlecht. Uns wurden dann Situationen geschildert und wir sollten unsere Meinung dazu sagen oder darüber diskutieren. Als ich danach nach Hause fuhr, hatte ich kein gutes Gefühl. „Warum sollten sie ausgerechnet mich nehmen? Die anderen haben viel mehr und Besseres gesagt als ich.“ Genau sechs Tage später lag ein Brief von YFU auf meinem Schreibtisch, als ich nach Hause kam. Ich habe mich erst nicht getraut, ihn zu öffnen, aber es war nun mal der einzige Weg, rauszufinden, ob sich mein Traum erfüllen sollte. Und er sollte es! Das Gefühl, wenn man diesen Brief in der Hand hält, kann man nicht beschreiben. In diesem Moment geht einem alles durch den Kopf

Vorbereitung (VBT) im Mai 2004

Inzwischen ist viel Zeit vergangen und ich habe den Vertrag unterzeichnet, mich mit Ehemaligen Austauschschülern getroffen und viel Infos über das Leben als Austauschschüler und das Leben in Norwegen erhalten. Ausserdem habe ich einen Sprachkurs angefangen. Nun kam die Einladung zur VBT. Ich hatte schon viele davon schwärmen hören, aber ich konnte mir darunter nichts vorstellen und vor allem nichts, was sogar „als das Beste vom Austauschjahr bezeichnet wurde“. Übers Internet hatte ich einige Leute gefunden, die auch dort hin fahren sollten und so waren es in Bad Oldesloe am Bahnhof zuerst 12, und später ueber 20 Leute, die alle nur ein Ziel hatten: VBT in Nienwohld! In Nienwohld waren wir dann insgesamt 40 Austauschschüler und 11 Teamer. Alle waren oder wollten fuer ein Jahr ins europäische Ausland. Ich will und kann auch nicht die Einzelheiten dieser Woche beschreiben. Aber es war definitiv eine der besten Wochen meines Lebens. Es war einfach so ein tolles Gefühl, sich mit Leuten zu unterhalten, die genau das gleiche Ziel hatten, die gleichen Gedanken oder Probleme. In dieser Woche habe ich Freunde gefunden, auf die ich heute nicht mehr verzichten möchte - und ich hatte das Gefühl, in nur sieben Tagen ein anderer Mensch geworden zu sein. Als die Woche zu Ende war, wäre ich am liebsten sofort ins Flugzeug gestiegen. Nach Hause wollte ich nicht. Es dauerte ein paar Tage oder auch Wochen, bis ich in mein normales Leben zurück gekehrt war. Jetzt hatte ich nur noch knapp zwei Monate.

Der Countdown

Die letzte Zeit verging wie im Flug. Abschiedsparty, Verabschiedungen, packen, planen, Gastgeschenke kaufen. Aber vor allem Fragen über Fragen zu meinem anstehenden Schüleraustausch. „Was ist, wenn du keine Freunde findest? Oder du mit deiner Familie nicht klar kommst? Was ist, wenn dein Traum plötzlich zum Alptraum wird?“ Antworten habe ich nicht gefunden. Es war der 5. August 2004, mein Abflugtag. Ich stand in Frankfurt am Flughafen, mit verheulten Augen und einem schrecklichen Gefühl im Magen. Schon zwei Stunden später stand ich zusammen mit 14 anderen deutschen Austauschschülern am Osloer Flughafen und hörte mir die Willkommensrede eines YFU Mitarbeiters an. Die nächsten zwei Tage hatten wir eine kurze Einführung in Sprache und Kultur und lernten so auch die anderen Austauschschüler, die von überall aus der Welt kamen, kennen. Zusammen mit drei anderen stieg ich dann am 7. August ins Flugzeug nach Stavanger, meiner zukünftigen Heimat, und eine Stunde später sass ich schon mit meiner neuen Familie im Auto auf dem Weg in mein neues Zuhause. Ich konnte nicht viel sagen. Ich war einfach so ueberwältigt und aufgeregt, und ich weiss nicht, was noch alles.

Der erste Monat

Die erste Woche waren hier in Norwegen noch Ferien. Deshalb unternahm ich jeden Tag etwas mit meiner Familie und lernte so schnell, mich in der Stadt zurecht zu finden. Dadurch, dass ich zwei Gastschwestern in meinem Alter habe, lernte ich gleich viele Leute kennen. Durch meinen Sprachkurs habe ich nach zwei Wochen nur noch Norwegisch gesprochen und die anderen auch nicht mehr Englisch mit mir. Dann war es so weit, der erste Schultag nahte und ich war wieder mal aufgeregt. Ich hatte nur zwei Stunden am ersten Tag, so dass ich nicht viel vom Schulleben mitbekam. Die erste Woche in der Schule war für mich aber bis jetzt die schlimmste Zeit hier. Man lernt zwar so viele Leute kennen, dass man am Ende des Tages nicht mal die Hälfte der Namen behalten hat, aber man hat eben noch keinen, mit dem man die Pausen verbringen kann. In dieser Zeit hiess es dann, durchhalten und sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, warum man hier ist. Der Unterricht war und ist sehr leicht, alle Fächer sind Doppelstunden und man hat keine kleinen Pausen zwischen den Stunden, dafür aber einmal 15 und einmal 30 Minuten Pause.

Erster Eindruck

Ich war nun schon mehr als zwei Wochen in der Schule. Verstehen tue ich das Meiste und ich kann mich sogar schon beteiligen. Freunde habe ich noch nicht, dafür weiss ich aber, mit wem ich die Pause verbringen kann und ich habe auch mehrere Leute, mit denen ich mich schon richtig unterhalten kann und aus denen sicher noch Freunde werden. Heimweh hatte ich einmal am Wochenende. Aber das war nicht richtig schlimm. Man sollte in der ersten Zeit einfach versuchen, viel zu unternehmen, um sich abzulenken. Nach dem ersten Monat wird es besser. Vielleicht noch kurz etwas zu den kulturellen Unterschieden. Der Tagesablauf ist viel entspannter, es ist bloss alles etwas später, jeder hat hier ein Lunchpaket („matpakke“) mit in der Schule, Norweger trinken viel Milch und essen viel Brot (was hier auch besser schmeckt), Milch gibt es in ueber sieben Ausführungen ( 0,1%, 0,7%,...Fett), es ist super teuer (eine Kugel Eis 3 €), und wie man das von den Norwegern kennt, sind sie viel draussen.

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