Claudia (aus Oldenburg) | 2002 (Jan-Juli) | USA / Wisconsin / Eau Claire

Einmal "Cheesehead" und zurück

Ich kann mich noch an den Tag erinnern, an dem meine Mutter mir über Handy durchgab, dass ich platziert war, in Wisconsin bei den großen Seen, in einem Ort mit ca. 60 000 Einwohnern namens "Eau Claire" (Französisch, im Deutschen in etwa wie "O Klär" ausgesprochen). Dies war am 15.November 2001, 8 Wochen bevor es losgehen sollte. Ein halbes Jahr lag vor mir, in einem Staat, über den man im ersten Moment vermutlich nicht viel weiß und dass ich vom Fischkopf zum Käsekopf mutieren würde, hätte ich mir erst mal auch nicht träumen lassen. Wir, die Schüler, die mit ICXchange zum 2.Halbjahr 01/02 in die USA flogen, wurden von der Partnerorganisation PAX betreut und hatten somit auch alle zusammen unser Orientierungsseminar vom 09.-11.01.02 in New York, welches ich sehr schön fand. Man kannte sich nicht, aber gerade das machte es ja aus: Das Abenteuer begann.

Landeanflug auf Eau Claire

Mein erster Gedanke, als ich zum Landeanflug auf Eau Claire ansetzte? "Und ich dachte, ich kriege hier einen ordentlichen Winter!". Zugegeben, ich als Nordwestdeutsche habe wahrlich nicht viel Schnee gesehen und umso mehr ärgerte es mich, als ich weit und breit auf dem Flughafen nur braunes Gras sah. Aber soviel Zeit, über das Wetter nachzudenken, blieb mir dann auch nicht. Meine Gastfamilie (Chuck und Jean, eine Katze namens Misty und ein Nymphensittich namens Bobby Jo) und das neue "zu Hause auf Zeit" standen im Vordergrund. "Unser" Haus war zweistöckig und ich hatte hingegen aller Erwartungen ein eigenes Zimmer und sogar ein eigenes Bad. Für meine Eltern auf Zeit war ich Austauschschüler Nr. 16 und im Prinzip ist dies manchmal sogar ein gewisser Vorteil: In dem guten Gefühl, dass ich von Anfang an hatte, wurde ich das gesamte halbe Jahr nur bestärkt. Für mich waren sie einfach die ideale Gastfamilie.

Meine erste Woche

Nachdem ich noch eine Woche Ferien hatte, in der mich meine spätere beste Freundin zu allen möglichen Ecken Eau Claire's fuhr und wir sogar ein Polarlicht zu sehen bekamen, kam mit dem Schulanfang auch der erste Schnee und ich bekam doch noch meinen Winter, obgleich mir immer wieder von verschiedenen Seiten angetragen wurde, dass -20°C (in Fahrenheit gesehen fängt hier erst der Minusbereich an!!!!) mild seien und man "überhaupt normalerweise viel mehr Schnee hätte". Nun gut, alles Ansichtssache. Ich lernte, dass man in Wisconsin automatisch ein Cheesehead ist und wenn die Green Bay Packers (Footballteam) spielen, ebenso selbstverständlich vor dem Fernseher sitzt. Wisconsin ist landschaftlich wie Deutschland, teils hügelig, teils eher platt, viel Farmland, viel Käse (deshalb Cheeseheads!), viele Wälder und Seen. Natur pur. Meine Haushaltsaufgabe bestand darin, das Geschirr abzuwaschen und so passierte hin und wieder, dass mich durch die Fensterscheibe hindurch ein Reh aus dem Garten anschaute, oder ich Eichhörnchen auf Nussjagd beobachten konnte.

Schulanfang

Meine Schule, die "North High School" wirkte zu Beginn mit 1800 Schülern etwas verwirrend auf mich, entpuppte sich im Laufe der Zeit aber als immer kleiner werdend und auch das schier unüberwindbare Problem des Öffnens meines "Lockers" (Schließfach) löste sich irgendwann in Luft auf. Obgleich mich meine Mitschüler oft bemitleideten ("Oh, you poor girl, could have been places in California and now you're stuck in Wisconsin!"), fand ich die Schule sehr gut. Ich konnte sogar Band als Schulfach nehmen, obgleich meine absolute Lieblingsclass "US History" war. Dass ich in der ersten Stunde nicht wusste, welcher berühmte Damm im Südwesten der USA nach einem amerikanischen Präsidenten benannt ist, konnte mich nicht abschrecken.

Hüpfende Waschmaschinen und Countrymusik

Man gewöhnt sich halt an alles und sei es, zu wissen, dass Waschmaschinen sehr wohl hingegen aller Gerüchte hüpfen können (schmeißt eure Klamotten ja nicht nur auf eine Seite!), man bei der Nationalhymne Mützen abnehmen muss, Tests mit Bleistift oder Kuli geschrieben werden, ein Kühlschrank mit Getränkedosen in der Garage normal, eine Katze die nur Wasser direkt aus der Leitung trinkt niedlich und ein AUF dem Käfig lebender Vogel auch irgendwann nicht mehr ungewöhnlich ist. Erlebt habe ich eine Menge und dies wiederzugeben reicht der Platz wohl nicht aus. Meine Gastmutter nahm mich in der Zeit, wo ich kein Fußballtraining hatte, jeden Dienstag Abend zum "Linedancing" mit. Hierbei werden Tanzchoreografien zu Countryliedern einstudiert. Ich hätte es vorher nicht gedacht, aber: Es machte mir Spaß und auch dies ist ein Teil meines Aufenthaltes, den ich um nichts in der Welt missen möchte.

Sport und Feste

Neben Skifahren bin ich von der Schule aus mit dem Fußballteam ständig in Wisconsin unterwegs gewesen. An einem Tag hatten wir ein Spiel in Rice Lake, welches erst dreimal verschoben wurde und als wir um 10 Uhr Abends dann fertig waren, steckte unser Bus im Matsch fest. Man hätte ein Foto machen sollen, wie die Mädchenmannschaft versucht, den Reisebus aus dem Matsch zu drücken. Personenmäßig war meine Gastfamilie recht zahlreich: "Offiziell" nur Gasteltern, bin ich doch in eine Großfamilie geraten, da meine Gastmutter drei, mein Gastvater acht Geschwister und außerdem noch zwei Töchter mit eigenen Familien hatte, war in "unserem" Haus immer was los. Nachdem mir meine Gasteltern ermöglicht hatten, sie zu der Hochzeit der jüngeren Tochter nach Kalifornien zu begleiten, kam auch schon bald Ostern, Prom, Memorial Day (ich war mit der Marching Band bei der örtlichen Parade dabei) und dann der letzte Schultag. Ein letztes Mal "Pledge of Allegiance". Hm. "Schon fünf Monate vorbei? Das kann nicht sein", dachte ich zu mir, als ich am 1.Juni bei der Graduation meine Urkunde verliehen bekam. Es war so endgültig, nicht nur für die amerikanischen Schüler, auch für uns "Exchanges".

Trotz Abschied: Ich bleibe ein "Cheesehead"

Die Zeit schien förmlich zu rasen und nach dem "Family-campout" mit gegrillten Marshmallows mit Schokolade, Baseball spielen, Hufeisen werfen und Schwimmen, kam der Independence Day mit seinem Feuerwerk und dann brachen auch schon meine letzten drei Wochen an, von welchen ich eine in "The Cities", Minneapolis/St.Paul verbrachte. 17.Juli, Eau Claire Flughafen. Eigentlich wollte ich noch gar nicht weg, aber leider hört ja alles schöne einmal auf. Ich werde bestimmt bald wieder zu meinen Gasteltern und Eau Claire zurückfliegen, denn irgendwie tief in mir drinnen bleibe ich jetzt wohl für den Rest meines Lebens ein "Cheesehead"...

Hello, WiscAnsin!!!!!!!!!!!

Back